Hey,
heute schreibe ich über die Zeit, in der ich meine erste Diagnose bekam und warum ich aus diesen Gründen die Schule abgebrochen habe.
Damals (oha, dieses Wort zeigt einem, dass man alt wird) war ich 17 Jahre alt. Hatte gerade meinen neuen Nebenjob im Solarium begonnen und war in der Blüte meines Lebens. 😛
Das Solarium war sehr klein, mit drei Kabinen, und die Hauptaufgaben lagen natürlich in der Kundenbetreuung und Beratung und im Putzen der Geräte. Dazu stützte ich mich mit den Knien auf den Geräten ab und schrubbte…
Ich erwähne dies hier, da der Auslöser, wenn man wie ich den Genfaktor HLA-B27 positiv hat, meist ein Sturz oder starke Belastung der Gelenke ist. Dieser Blutwert weißt eigentlich auf Morbus Bechterew hin, was allerdings bei mir nicht den Symptomen entspricht, weshalb es vielleicht auch so schwer ist ein passendes Mittel zu finden. Morbus Bechterew betrifft meist überwiegend die Wirbelsäule und führt im Krankheitsverlauf zu dem Buckel, wie man es manchmal sieht. Bei mir schlug es sich aber auf die größeren Gelenke nieder. Meinem Krankheitsbild wurde von den Krankenhäusern aber als chronische Polyarthritis klassifiziert.
Eines Abends stellte ich also fest, dass mein rechtes Knie dicker war als das Linke und ich dazu noch Schmerzen im rechten Ellenbogen hatte. Zunächst wurde mir spontan nachgesagt ich würde mir das einbilden, erste logische Schlussfolgerung. Allerdings auch nur bis zum nächsten Morgen, denn da war es nun wirklich für jeden ersichtlich das sich das Knie füllte. So begann der lange Weg der Ärztebesuche.
Da meine Mutter nicht viel von den Fachmedizinern hält, wurden bei mir ca. zwei Jahre lang mehr oder weniger nur homöopathische Therapien getestet. Kontrollen wurden aber von Fachärzten in den Jahren übernommen. Bis zum Jahr 2003, als mein Hausarzt meiner Mutter klar und deutlich sagte er würde das so nicht mehr mitmachen und mich als Notfall in ein Krankenhaus einwies. Meine Blutwerte hatten sich zunehmend verschlechtert. Damit war ich mit 19 Jahren dann eine Weile aus dem Verkehr gezogen. 4 Wochen Akutkrankenhaus und dann folgend noch 3 Wochen Rheumaklinik.
In der Schule musste ich, leider die 11. Klasse sowieso schon wiederholen, da man als Jugendliche, neben den Schmerzen, natürlich auch noch andere Sachen im Kopf hatte. Somit war ich zu dem Zeitpunkt gerade in der 12. Klasse angekommen vor meinen ersten Klausuren im Oktober.
Im Nachhinein hätte ich auf diese Schule eh nicht zurückgewollt, man merkte, dass Leute und Lehrer schon über einen sprachen und keiner verstand was dort los war. Vermutlich vermutete auch niemand bei so einem jungen Menschen als erstes Rheuma?! Trotz der Qualen war ich früher jeden Tag anwesend und bekam schlechtere Noten als Schüler die schwänzten. Ich weiß nicht, was der Grund dafür war, entweder, weil ich oft zu spät kam, weil ich es in 15 min. NICHT über den Schulhof vom Oberstufengebäude in das Andere schaffte, oder weil meine mündliche Beteiligung noch steiler absank, da es schmerzte die Arme zu heben. Wenn ich heute manchmal an diese Zeit zurückdenke weiß ich auch wirklich nicht mehr, wie ich diese Zeit durchgestanden habe. Nach der Schule lag ich oft bewegungslos und völlig fertig auf dem Sofa. Oft weinte ich einfach nur hemmungslos, wenn ich alleine war und hoffte darauf einzuschlafen und schmerzfreie Träume zu durchleben. Dort kann man sich dann einfach normal bewegen. Ich bin einer der glücklichen Menschen, die viel und intensiv träumen. Ich bin mir gerade nicht ganz sicher, aber ich träume auch überwiegend ohne die Krankheit. Im Traum habe ich noch nie bewusst über meine Rheumaschmerzen nachgedacht. Klar, hat man auch mal Alpträume, aber die handeln meist von anderen menschlichen Ängsten. Wenn man dann wach wird und gut geträumt hat, hat man wieder die richtige Motivation positiv zu denken, aufzustehen, durchzuhalten und alles dafür zu tun, dass es einem wieder besser geht. Was dann viel mit Freunden unterwegs sein war. Das reichte auch für mich an Bewegung schon, um Abends dennoch wieder platt ins Bett zu fallen. Mit der Zeit wurde das aber auch immer weniger. Ich habe langsam immer mehr Zeit mit meinem damaligen Partner auf dem Sofa verbracht, als mich noch aufzuraffen.
Man muss dazu sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt auch gerade eine gluten- und tomatenfreie Diät hinter mir hatte, weil ein Homöopath meinte ich sei dagegen allergisch. Zum damaligen Zeitpunkt wenig aufgeklärt hielt sich mein Esspensum, mit der Hoffnung so geht es mir besser, stark in Grenzen. Als mein Hausarzt mich einwies wog ich bei der Größe von 178 cm nur noch 45 kg. Ich schaffte damals gerade mal 100 gr. Reis und ein halbes Knäckebrot am Tag zu essen, mehr ging in den Magen danach nicht mehr rein. Hatte also in 2 Monaten 20 kg verloren. Im Krankenhaus wurde dann ziemlich schnell mit Cortison begonnen, Hunger stieg wieder und ich hatte ziemlich schnell mein Normalgewicht wieder erreicht. Leider, eigener Meinung nach, auch überschritten. ^^
Als ich nach den Krankenhausaufenthalten neuen Mutes und mit einem fitten Gefühl wieder zurück zur Schule wollte, war die erste Aussage, dass ich in meine Klasse zurück darf, aber halt nicht genau an dem Tag, sondern etwas später, es müsse noch was erledigt werden. Scheinbar gab es noch eine Lehrerkonferenz. Zwei Tage später durfte ich dann doch nicht so einfach zurück, weil ich ja nun die Klausurphase vom ersten Halbjahr verpasst hatte und laut Lehrern vermutlich auch nicht die „hellste Kerze auf der Torte“ war, die das mit Links machen würde?! Verstehe ich überhaupt nicht. 🙂
Somit hätte ich erneut zurückgestuft werden sollen. Toll, noch ein neuer Jahrgang, noch jüngere Mitschüler und noch ein Jahr älter bis man ins Arbeitsleben einsteigen kann. Gefiel mir natürlich nicht sonderlich gut und zu dem Zeitpunkt hatte ich von Schulkollegen auch schon mitbekommen, wie die Lehrer auf meine Abwesenheit reagiert hatten und was dort für Kommentare und Behauptungen über mich gefallen sind. Ich habe mich dann spontan umorientiert; eine Ausbildung (in dem Unternehmen, in dem ich das Jahr zuvor auch mein Praktikum gemacht hatte) gesucht und die Schule abgebrochen. Glücklicherweise immerhin mit dem schulischen Teil der Fachhochschulreife, was mir einige Prüfungen für meine darauffolgenden Studiengänge ersparte. 😉
Desto mehr freut es mich heute, was aus mir geworden ist. Wie oft ich gehört habe „das schaffst du doch eh nicht“ oder „dann brichst du eh ab“; auch folgend nach meiner Ausbildung bei meinem Betriebswirt, als ich direkt zu Beginn ankündigte ich müsste noch einmal 4 Wochen zu einer Hüft-OP kamen diese Sätze von ausgebildeten Pädagogen. Tut mir leid, für sowas habe ich keinerlei Verständnis. Zumal in dem Fach dieses Lehrers hatte ich nun wirklich das Wenigste verpasst als ich wiederkam (Deutsch). Also, wenn ich deutsch nicht bis zu meinem Betriebswirt schon etwas erlernt hätte, hätte ich eh noch ganz andere Probleme gehabt?!
Aber ich lebe ja scheinbar für Herausforderungen und den Selbstbeweis/die Selbstbestätigung, dass ich es eben doch schaffen kann, gerade wenn andere das Gegenteil behaupten. Folgend habe ich mein Studium um ein Semester verkürzt, weil ich unbedingt noch das Diplom, statt den Bachelor haben wollte. Auch meinen Bilanzbuchhalter habe ich aufgrund dessen ein halbes Jahr später begonnen und beides dennoch geschafft. Ich sage euch eins, wenn man es wirklich will, kann man solche Sachen immer schaffen. Ich behaupte nicht, dass es immer einfach war, aber es hat mir immer Freude gemacht und mich nicht belastet. Besser noch, es hat mich abgelenkt und mir viele Freunde und Bekannte geschenkt, die ich nicht missen möchte.
Natürlich, und das werden einige kennen, wurde immer gesagt; hör auf damit, der Stress tut dir nicht gut, vermutlich ohne dass du es merkst, etc. Aber es war kein negativer Stress (höchstens vielleicht mal in den Zeiten vor großen Prüfungen), sonst würde ich es eher als positive Ablenkung betrachten. Besser als jeden Abend auf dem Sofa zu verbringen. Dort war ich in der Zeit wirklich selten. 😉
Das ist auch meist die einzige Option die man hat. Manchmal ärgert man sich darüber, dass der Weg hätte einfacher laufen können, wenn Menschen nicht so geurteilt hätten. Normal das Abitur gemacht, vielleicht normal studiert; auch mal mit feiern gehen und die Nächte um die Ohren hauen, statt zu lernen. Mit nem Kater in den Vorlesungen zu sitzen und mit Kommilitonen zu „lernen“, etc.
Wenn wir mal ehrlich sind, Urteilen tut man oft einfach zu schnell: Wie lange habe auch ich so gedacht „jede Krankheit beginnt im Kopf“ oder „stellt der sich nicht gerade etwas an“. Urteilen über Situationen und Gefühle, über die man gar nicht urteilen kann oder sollte, liegt scheinbar in der Natur des Menschen und es gibt immer Momente in denen wir das auch tun. Nicht jeder zeigt es so direkt, weil man noch etwas Verstand besitzt den Gegenüber nicht zu verletzen, aber denken tun wir manchmal so einiges. Und ich finde es teilweise beängstigend. ^^ Geht es euch nicht ebenfalls so?! Wie man sich manchmal erwischt und im nachhinein denkt, dass hast du dir jetzt nicht wirklich gerade so gedacht. Bist du ein schlechter Mensch deswegen?! Nein, du bist einfach EIN Mensch und der Gedanke hilft mir manchmal nicht in Groll auf andere zu versinken, die meine Zukunft negativ beeinflusst haben. 😉 Versucht es auch mal…
Somit schönen Gruß erstmal
Eure Desi